Wirksame Bürgerbeteiligung auf Bundesebene

Bürgerrat "Ernährung im Wandel" überreicht dem Deutschen Bundestag sein Bürgergutachten. Hier Bundestagspräsidentin Bas bei der Begrüßung der Veranstaltung.
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Bürgerbeteiligung ist auch auf Bundesebene angekommen. Wie kann sichergestellt werden, dass die Beteiligungsprozesse Wirkung entfalten?

Unsere Thesen: Diskussion und Erfahrungsaustausch mit der Politik

Wir sehen auf Bundesebene immer mehr Beteiligungsprozesse, die dank durchdachtem Verfahrensdesign und hoher Verfahrensqualität einen Raum für echten Dialog oder Deliberation bieten. Wir möchten einen Denkanstoß geben, wie Beteiligungsverfahren weiterentwickelt und eingebettet werden sollten, damit sie bestmöglich politische Wirkung entfalten. Denn wenn man diejenigen fragt, die in Bundesministerien Bürgerbeteiligung aktiv gestalten, wird deutlich, dass die bisherigen Prozesse als nur gering bis durchschnittlich wirksam wahrgenommen werden.

Auf Basis unserer Erfahrungen mit Bürgerbeteiligungsverfahren auf Bundesebene in den vergangenen Jahren haben wir Thesen zur Wirksamkeit entwickelt und im Rahmen eines Runden Tisches mit Vertreter:innen verschiedener Bundesministerien, Expert:innen für Bürgerbeteiligung aus der Wissenschaft und von Stiftungen diskutiert und weitergedacht. Grundsätzlich wurde unseren Thesen von Teilnehmenden zugestimmt:

  1. Die Zuständigkeit für einen Beteiligungsprozess sollte (auch) bei den für den Beteiligungsgegenstand fachlich-inhaltlich zuständigen Stellen liegen. Übergreifende Themen erfordern die Zusammenarbeit mit den betreffenden Referaten, Abteilungen und Ressorts.
    • Zuständigkeiten und Abhängigkeiten klären: Welche Ressorts, Abteilungen und/oder Fachreferate sind in den Beteiligungsgegenstand involviert? Welche Fristen und Abhängigkeiten bestehen? Wie kann das Beteiligungsverfahren inhaltlich und zeitlich gut in den (politischen) Arbeits- und Entscheidungsprozess eingeflochten werden?
    • Ownership erzeugen: Hausleitung, (andere) Fachreferate und Behörden in den Beteiligungsprozess, seine Gestaltung und Umsetzung einbeziehen, sofern sie für die Verwertung der Ergebnisse auch verantwortlich sind
    • Fachliche Unterstützung sicherstellen: Relevante Fachreferate (auch aus anderen / nachgeordneten Behörden) in inhaltliche Gestaltung, Prozessbegleitung und Auswertung der Beteiligungsergebnisse einbeziehen
  2. Die Beteiligungsergebnisse sollten in einer für die zuständigen Stellen verwertbaren Form, Qualität und Quantität vorliegen und dort auch die entsprechenden Ressourcen für die Verarbeitung vorhanden sein.
    • Vom Ergebnis her denken: Was wird mit der Beteiligung angestrebt? Agenda-Setting, Themenpriorisierung, Leitbild-, Strategie- oder Maßnahmenentwicklung? Wie viel Input kann sinnvoll verarbeitet werden?
    • Gestaltungsspielraum klären: Welche Eckpunkte des Entscheidungsprozesses bestehen bereits? Welche Rahmenbedingungen sind bereits gesetzt? Wann können die Beteiligungsergebnisse gut aufgenommen werden?
    • Form follows function: Mit welcher Form von zusätzlichem Input können die relevanten Organisationseinheiten gut arbeiten? Wie sollte dieser strukturiert und aufbereitet sein?
    • Agil und flexibel arbeiten: Inhalte im Prozess eng begleiten und Bürger:innen dabei unterstützen Ergebnisse zu erzielen, die wirklich Wirkung entfalten können.
  3. Über den Erfolg und die Wirksamkeit von Bürgerbeteiligungsformaten entscheidet auch der transparente und verbindliche Umgang mit den Ergebnissen. Dies schließt eine Rückkopplung an die Bürger:innen mit ein.
    • Klare Vereinbarungen treffen: Bereits zu Beginn des Prozesses verbindlich vereinbaren, wie mit den Ergebnissen umgegangen wird
    • Gegenseitiges Verständnis schaffen: Verwaltungsmitarbeiter:innen und politische Entscheidungsträger:innen während des Prozesses einbinden und mit Bürger:innen zu den Ergebnissen austauschen
    • Transparenz schaffen: Ergebnisse transparent und verständlich darstellen sowie kontinuierlich zum Stand der Bearbeitung der Ergebnisse informieren, z. B. auf einer zentralen Plattform
    • Austausch auf Augenhöhe ermöglichen: Verbindliche Feedback-Veranstaltungen zum Umgang mit und Umsetzung der Ergebnisse durchführen (Was konnte umgesetzt werden? Was nicht? Warum?)

So gelingt politische Wirksamkeit

In der Diskussion der zuvor genannten Thesen ging es vor allem um die Frage, wie Beteiligungsverfahren effektiv umgesetzt werden können und welche Aspekte für eine hohe politische Wirksamkeit relevant sind. Dabei ging es einerseits um konkrete Verfahrensfragen (z. B. Einbeziehung von Verwaltungsmitarbeitenden und Aufbereitung der Ergebnisse). Zum anderen diskutierten die Teilnehmenden übergeordnete Fragen, zum Beispiel wie es gelingen kann, Beteiligungsverfahren in ein erweitertes, partizipatives, responsives und deliberatives Demokratieverständnis einzubetten („Kultur der Beteiligung“). Damit Bürgerbeteiligungsprozesse wirksam sind, ist es empfehlenswert in Ergänzung zu den Thesen folgende drei Aspekte zu berücksichtigen:

1. Verbesserte und nachhaltige Strukturen für Bürgerbeteiligung schaffen:

Mit neuen Strukturen könnte die Regierungskoalition der Bürgerbeteiligung zu einem neuen Stellenwert verhelfen und somit die politische Relevanz erhöhen. Dazu hebt innerhalb der Bundesregierung idealerweise das Bundeskanzleramt die Bedeutung von Bürgerbeteiligung hervor (Top-Down-Ansatz) und schafft eine zentrale Koordinations- und Stabsstelle. Eine feste Verankerung mit einem eigenen Kabinettsausschuss auf Minister- oder Abteilungsleitungs-Ebene, wie in Baden-Württemberg bereits seit vielen Jahren verankert, vergrößert dabei noch die Ownership der einzelnen Ministerien. Eine gemeinsame Online-Plattform der Bundesregierung kann für eine größere Sichtbarkeit des Themas Bürgerbeteiligung sorgen.

2. Vertrauen schaffen und evidenz-basierte Entscheidungsgrundlagen liefern:

Damit Beteiligungsprozesse zukünftig wirksam sind, ist es wichtig, bei politischen Entscheidungsträger:innen Vertrauen in Bürgerbeteiligung zu stärken und Verständnis zu schaffen. Beides wird gefördert, wenn politische Entscheidungsträger:innen und Verwaltungsmitarbeitende in Beteiligungsprozesse eingebunden sind und den Bürger:innen in den moderierten Prozessen unmittelbar begegnen können. Ein gemeinsames Verständnis von Beteiligung kann durch interne Vernetzung und Erfahrungsaustausch entstehen. Zudem dienen strukturiert aufbereitete Nachweise zu Erfolg und Wirkung von Bürgerbeteiligung (u. a. zur Wirkung von Beteiligung auf beteiligte Bürger:innen) politischen Entscheidungsträger:innen als Entscheidungsgrundlage.

3. Nachhaltige Vernetzung über Legislaturperioden hinweg sicherstellen:

Um das Thema Bürgerbeteiligung systematisch zu verankern, sollte eine nachhaltige und strukturierte Vernetzung über Ministerien, Fraktionen und Legislaturperioden hinweg geschaffen werden. Durch den stetigen Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den relevanten Akteuren können auch alle vorgenannten Aspekte initiiert bzw. weiterentwickelt werden. So kann im konkreten Fall auf die Erfahrungen (Best Practices, Fallstricke, Methoden) anderer Akteure zurückgegriffen werden und Allianzen für die Etablierung von wirksamen Beteiligungsprozessen auf Bundesebene geschaffen werden.

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