1995: Die Deutsche Bundespost wird zur Post AG, Borussia Dortmund gewinnt die Bundesliga und Madonna läuft im Radio hoch und runter. Für den damals 36-jährigen Hans-Peter Meister soll 1995 noch so viel mehr werden – nämlich das Jahr, in dem er ifok gründet. Im Interview erzählt er, wie seine Vision vom Schreibtisch im Schlafzimmer bis in deutsche Bundesministerien und sogar über den Atlantik in die USA gewachsen ist. Gemeinsam blicken wir zurück und nach vorne. Lesen Sie jetzt, wie alles begann und welche Zukunft der ifok-Gründer sich für sein Unternehmen ausmalt.
Hallo Hans-Peter, schön, dass du dir Zeit nimmst für ein Interview! ifok feiert dieses Jahr 25-jähriges Jubiläum. Wie bist du 1995 auf die Idee gekommen, ifok zu gründen?
Hans-Peter Meister: Damals arbeitete ich als Kommunikationschef in Ludwigshafen bei dem weltweit größten Chemie-Konzern BASF. Wir standen vor der Fragestellung, wie wir als BASF mit unseren Kunststoff-Abfällen umgehen. Keine leichte Frage. Darum war ich auf der Suche nach einer neutralen Moderation. Nach Jemandem, der zwischen Umweltorganisationen, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Verbrauchern vermitteln kann und so eine gute Lösung findet. Und ich habe schlichtweg niemanden gefunden.
Da reifte bald der Gedanke: Das könnte ich doch aufbauen und sowas wie neutrale Moderation, Dialoge und Konfliktschlichtung in Deutschland etablieren.
Spannend! Wie schnell wurde aus der Idee ifok, wie wir es heute kennen?
Hans-Peter Meister: ifok begann an einem Schreibtisch bei mir zu Hause. Der stand im Schlafzimmer. Von dort aus habe ich viel ausprobiert und es brauchte ein paar Anläufe, bis im September 1995 der offizielle Startschuss für ifok fiel. Es hat nicht lange gedauert, bis in unserem ersten Büro die Mitarbeitenden auf dem Boden saßen, weil es immer voller wurde. Mehr Aufträge, mehr Mitarbeitende – wir haben schnell gemerkt, dass das, was wir hier machen, wirklich gebraucht wird.
Zu Beginn waren wir noch sehr wissenschaftlich unterwegs. Wir merkten aber schnell, dass unser Mehrwert vielmehr darin liegt, Sichtweisen zusammen zu führen und Konflikte zu erkennen. So sind wir auch an unser erstes großes Projekt, die Energie-Tische, herangegangen – ich glaube, das war unser Durchbruch. Für mich immer noch ein Highlight: Das Projekt wurde von Angela Merkel gestartet, die zu der Zeit Umweltministerin war – und wir waren damals mit ihr auf der Titelseite der FAZ 😊
Wenn du auf die letzten 25 Jahre zurückblickst, wie zufrieden bist du mit der Entwicklung von ifok? Ist ifok so, wie du es dir zu Beginn vorgestellt hast?
Hans-Peter Meister: Wir können ifok mit einer Schlange vergleichen, die sich regelmäßig häutet, um größer zu werden. Unsere Häutungsphasen: vom wissenschaftlichen Ansatz mit Kommunikations-Touch zur reinen Moderation. Von den Moderator:innen entwickelten wir uns zu Prozessmanager:innen und letztlich zu Plattformbildner:innen. Natürlich haben wir uns im Laufe der Zeit auch inhaltlich und kompetenzmäßig weiterentwickelt.
Und was soll ich sagen – ich bin natürlich wahnsinnig glücklich! Bei der ifok-Gründung dachte ich, ich bleibe allein. Ich hatte nie vor, ein Unternehmen mit über 150 Mitarbeitenden zu gründen. Ganz unter uns: Deswegen gabs zu Beginn nicht mal einen Businessplan – wir sind einfach biologisch, organisch und evolutionär gewachsen. Ich hatte viel Glück, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Idee zu haben. Und noch mehr Glück, viele unglaublich engagierte, tüchtige und kompetente ifox als Mitstreitende zu finden.
Irgendwann kam dann die Idee, nach Amerika zu gehen. Warum eigentlich?
Hans-Peter Meister: Viele Ideen habe ich aus amerikanischen Bürgerdialogen und Mediationsverfahren bekommen. Die Verfahren haben wir dann auf die deutschen Verhältnisse angepasst und sie so weiterentwickelt. Umso überraschender war es für mich, als während meiner Dozententätigkeit an der Georgetown University in Washington DC plötzlich Amerikaner:innen auf mich zukamen und sagten: „Sowas wie in Deutschland – das sollten wir auch hier machen.“ Da habe ich verstanden, dass die deutsche Weiterentwicklung auch Chancen auf dem US-Markt haben könnte.
Und das hat sich ja dann auch bewahrheitet. Es entstand die Meister Consultants Group in Boston und die war recht schnell auch sehr erfolgreich. Etwas anders als das klassische ifok-Geschäft, eben eine weiter Anpassung der ifok Philosophie an den aktuellen Markt in den USA. Auf dem Weg habe ich dann auch die Cadmus Group kennen gelernt, zu der ifok inzwischen gehört.
ifok befindet sich gerade weiter im Wachstum – doch gab es auch Tiefphasen? Wenn ja, wie seid ihr damit umgegangen?
Hans-Peter Meister: Natürlich gab es auch bei ifok Tiefphasen. Krisen passieren aus unterschiedlichen Gründen. Es ist wichtig, die Gründe zu analysieren und zu reflektieren. Gleichzeitig ist es immer eine gute Möglichkeit gewesen, mal aufzuräumen. So wie bei einem Frühjahrsputz. Auch Unternehmen sollten sich ab und an die Zeit nehmen, sich neu zu ordnen. Bis es wieder blitzeblank ist. Eine Krise zwingt einen praktisch dazu. Und meine persönliche Lernerfahrung: Aussagen wie „die Krise als Chance“ haben sich bewahrheitet. Krisen sind verdammt schmerzhaft, aber wir waren danach immer stärker als zuvor.
Uns kamen die hohe Transparenz und die hohe Loyalität im Unternehmen zugute. Es gab immer dieses Gefühl „Wir packen das jetzt gemeinsam“. Wir waren trotz Krise motiviert, den Karren gemeinsam aus dem Dreck zu ziehen.
Seit 2017 fungierst du als Beirat – wie fühlt sich das für dich an? War es schwierig, dich selbst zurückzunehmen und „die anderen machen zu lassen“?
Hans-Peter Meister: Ganz klar: Das hat sich erstmal komisch angefühlt und irgendwie war es auch ein Experiment. Man weiß ja nie, wie es dann tatsächlich ausgeht. Aber ich habe mich ganz bewusst sehr zurückgehalten. Es gab erstmal eine „Abkühlphase“. In dieser Phase hat Henning seine neuen Impulse gesetzt, neue Ideen eingebracht und sich in seine neue Rolle eingefunden. Das hat er großartig gemacht – das gilt auch für die gesamte Führungsmannschaft – und ifok hat einen enormen neuen Schwung bekommen. Wenn ich ifok anschaue, kann ich nur sagen: Ich bin sehr froh, wie das Unternehmen wächst, blüht und gedeiht!
Heute haben Henning und ich einen intensiven Austausch und reden viel über aktuelle Themen und gerade auch über internationale Strategien. Ich bin ja einerseits quasi Aufsichtsrat von ifok und andererseits bei Cadmus für die internationale Strategie zuständig. Da habe ich noch genug zu tun. Mit Henning ist es ein sehr gutes Miteinander, das könnte gar nicht besser laufen.
Nach dem Blick in die Vergangenheit nun ein Blick in die Zukunft: Wie stellst du dir ifok in 25 Jahren vor?
Hans-Peter Meister: Wir haben immer gesagt, dass wir das Beratungskonzept der Zukunft haben: Wir setzen auf Kooperation, Gemeinsamkeit, Dialog, Weisheit der Vielen und auch auf die Unabhängigkeit in der Entscheidungsfindung. Wir schlagen keine Lösungen vor, sondern wir helfen dabei, die passende Lösung zu finden. Ich glaube: Das ist eine einzigartige Positionierung, die genau den Bedarf der Gesellschaft trifft. Deshalb sehe ich noch ein riesiges Potenzial in ifok, das wir auch noch heben können. Der Spruch „Die beste Zeit kommt erst noch“ passt deshalb gut.
Eine letzte Frage noch: Gibt es sowas wie eine Erfolgsstory, ein Projekt, auf das du besonders stolz bist und von dem du heute noch gerne erzählst?
Hans-Peter Meister: Natürlich gibt es nie ein Projekt, bei dem wirklich alles rund läuft – es gibt immer Dinge, die wir besser machen können. Aber von zwei Projekten erzähle ich wirklich gerne: Eines davon hieß „Bausteine für ein zukunftsfähiges Deutschland“. Das Projekt startete 1996 und es zeigt exemplarisch, was alles möglich ist: In einem einjährigen Dialog entwickelten fast 300 Stakeholder gemeinsam mit der Chemie-Branche gemeinsame Vorstellungen zum Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung. Die Ergebnisse des Dialogs haben einerseits maßgeblich den Umgang der bundesdeutschen Politik mit Nachhaltigkeit geprägt: Die Integration von Ökologie, Ökonomie und Sozialem löste die bisherige Konfliktgrundhaltung ab. Viele konkrete Veränderungen entstanden aus dem Dialog: wie zum Beispiel der Nachhaltigkeitsrat oder das Nachhaltigkeitskabinett der Bundesregierung, aber auch die Idee einer intensiveren Umwelt- und Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen. So haben wir dazu beigetragen, eine ganze Branche bis hin zu Bundestagsbeschlüssen umzukrempeln. Es war ein wahnsinniger Impact dahinter und hat ifok mit groß gemacht. Und andererseits liest sich die Liste der konkreten Bausteine wie ein Businessplan für ifok. Entsprechend entstanden daraus viele neue Projekte für ifok, wie etwa die „Initiative für Beschäftigung“.
Das klingt toll! Und das zweite Projekt?
Hans-Peter Meister: Das andere Projekt hieß „Mediationsverfahren Frankfurter Flughafen – Regionales Dialogforum“. Im Grunde war dieser Konflikt um den Frankfurter Flughafen einer der Innovationsmotoren in der deutschen Mobilitätsgeschichte. Im Dialog aller relevanten Stakeholder entstanden ganz viele Innovationen, angefangen von den neuen Lärmschutzgrenzwerten für die Bundesregierung, über neue internationale An- und Abflugverfahren bis hin zu neuen Bewertungen für Immobilienentschädigungen besonders Betroffener. Ohne den Dialog gäbe es keinen Antilärmpakt der Region und kein Nachtflugverbot. Viele haben anfangs gesagt „Das können wir nicht ändern“ – und wir haben dann gefragt „Warum nicht?“ Das führte dann zu intensiver Arbeit auf der Suche, wie man es anders machen könnte. Irgendwann wurden unsere Vorschläge dann national und sogar international akzeptiert und eingeführt. Wir haben gezeigt, wie man den Status quo überwinden kann, wenn man zusammenarbeitet. Ein perfektes ifok-Projekt.
Vielen Dank für deine Zeit. Auf die nächsten 25 Jahre!
Interview von Anika Schader
Vom Konzept eines intelligenten Marktes haben Sie schon mal etwas gehört?
Wenn nicht, warum ist das wohl so, obwohl das Konzept bereits vor über 10 Jahren als Antwort auf die Finanzkrise entstanden ist.