Breite Beteiligung für eine starke Demokratie

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Die repräsentative Demokratie kann auf Dauer nur funktionieren, wenn alle Teile der Gesellschaft die Möglichkeit haben, sich einzubringen. Um das zu ermöglichen, setzen wir in unseren Beteiligungsprojekten auf erprobte Methoden. So erreichen wir die relevanten Zielgruppen und ermöglichen ihnen, sich einzubringen.

Klimawandel, steigende Ungleichheit, weltweite Konflikte und Transformationsprozesse – unsere Gesellschaften stehen vor großen Herausforderungen. Wir alle spüren die Folgen dieser Krisen in unserem Alltag. Und doch gibt es Gruppen, die in besonderem Maße betroffen sind. Die Stimmen dieser vulnerablen Gruppen werden in den öffentlichen Debatten oft nicht gehört. Häufig kommen sie aus sozial oder ökonomisch belasteten Verhältnissen oder haben das Vertrauen in demokratische und politische Prozesse verloren. Immer wieder wird diese Repräsentationslücke als ein Grund für den erstarkenden Populismus und die zunehmende Polarisierung in unserer Gesellschaft genannt.

Die breite Beteiligung aller Gesellschaftsgruppen ist eine Grundbedingung für eine gesunde und starke Demokratie. Daher ist es umso wichtiger, in der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft darüber nachzudenken, wie diese Zielgruppen, die häufig schwer erreichbar sind, besser teilhaben können. Beispiele dieser Gruppen sind Menschen mit Armutserfahrung, geringem Einkommen, unzureichendem Bildungszugang, Migrationsgeschichte oder Behinderung. Aber auch Menschen, die in ländlichen und abgelegenen Gebieten mit nur eingeschränktem Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen leben, sowie junge und ältere Menschen und vom System Enttäuschte finden bisher zu wenig Gehör.

Testbuffet beim Workshop mit türkischsprachigen Frauen im Rahmen des Bürger:innendialogs Nachhaltige Ernährung BMUV und UBA.

Den Perspektiven und Bedürfnissen benachteiligter Gruppen mehr Gehör zu geben, kann das Vertrauen in politische Institutionen stärken und die Legitimität von Beteiligungsprozessen erhöhen. Eine breite Beteiligung kann außerdem dabei helfen, bessere und innovative Lösungen für gesellschaftliche und politische Probleme zu finden und Konflikte frühzeitig zu antizipieren. Dies gilt auch für die Einbindung im Bereich der Wissenschaft oder im Bereich der Wirtschaft.

Wie gelingt die Einbindung schwer erreichbarer Zielgruppen?

Beteiligungsverfahren, bei denen Teilnehmende nach geschichteter Zufallsauswahl ausgewählt werden, binden bereits jetzt viele Menschen ein – auch über den Kreis der üblichen Verdächtigen hinaus. Die zuvor beschriebenen Gruppen sind jedoch auch auf diesem Wege oftmals schwer zu erreichen.

In den vergangenen Jahren hat ifok in unterschiedlichsten Bereichen Erfahrungen dazu gesammelt, wie eine breite Beteiligung über die Zufallsauswahl hinaus gelingen kann: von der Ansprache von und Kommunikation mit der Zielgruppe z. B. bei der Impfkampagne #dranbleibenBW, über die aufsuchende Teilnehmendenrekrutierung, d. h. das Aufsuchen zu Hause, wie zum Beispiel für den Bürgerrat Bremen oder das European Citizens’ Panel on Tackling Hatred in Society bis hin zu spezifischen Methoden und Formaten für die sinnvolle und nachhaltige Einbindung schwer erreichbarer Zielgruppen z. B. im Projekt „Fair Energy Transition for All“ oder bei Beteiligungsworkshops mit Kindern und Familien zur Gesamtstrategie frühe Kindheit in Bremen. Basierend darauf haben wir einen Katalog an Kriterien und Maßnahmen für die nachhaltige Einbindung schwer erreichbarer Zielgruppen entwickelt. Diese haben wir unter anderem im Method Guide basierend auf unseren Erfahrungen im Projekt „Fair Energy Transition for All“ zusammengefasst. In diesem Projekt haben wir in neun Ländern der EU Politikempfehlungen für eine faire Energiewende entwickelt, die von den Bedürfnissen, Wünschen, Ängsten und Erwartungen der am stärksten betroffenen Gruppen ausgehen und diese immer wieder als Grundlage für die konkrete Lösungsentwicklung nehmen. Der Method Guide „ Make the Invisible Visible. How to engage with hard-to-reach citizens for policy development?” gibt einen detaillierten Überblick über den Ansatz, Methoden und Formate sowie Learnings aus diesem Prozess.

Prinzipien für eine gelungene Einbindung

Was sind die wichtigsten Strategien, um schwer erreichbare Zielgruppen anzusprechen? Grundsätzlich sollten bei einer breiten Beteiligung immer die folgenden Prinzipien im Fokus stehen:

  1. Verstehen Sie die Lebensrealität Ihrer Zielgruppe: Schon bei der Konzeption von Beteiligungskonzepten ist es wichtig, zu verstehen, wie die Lebenswirklichkeit der Zielgruppen aussieht und was sie daran hindert, an Beteiligungsprozessen teilzunehmen. Bereits in dieser Phase den Dialog zu suchen, kann dabei helfen, eine Methodologie zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Menschen entspricht und von Beginn an auf den Abbau von Hürden abzielt. Das kann zum Beispiel in Form von Fokusgruppen, aber auch Befragungen geschehen.
  2. Gehen Sie in vertrauter Umgebung auf die Menschen zu: Vertrauen kann zunächst durch niedrigschwellige Veranstaltungen in einem vertrauten Umfeld aufgebaut werden, z. B. in einem Familienzentrum oder einer Bildungsstätte, in der sich die Menschen ohnehin regelmäßig aufhalten. Es ist auch hilfreich, Multiplikatoren einzubeziehen – Personen und Organisationen, die regelmäßig mit der jeweiligen Zielgruppe arbeiten. Diese Vertrauenspersonen können sowohl bei der ersten Ansprache als auch im weiteren Prozess eine zentrale Rolle spielen. Auch aufsuchende Beteiligungsformen können dazu beitragen, Barrieren abzubauen und die Teilhabe zu erleichtern.
  3. Wählen Sie passende Methoden aus – und bleiben Sie flexibel: Nachdem im ersten Schritt gemeinsam mit den Zielgruppen ein Verständnis für ihre Bedürfnisse, Ängste, Interessen und Wünsche entwickelt wurde, sollten die gewählten Methoden und Vorgehensweisen diesen Erkenntnissen entsprechen. Die Beteiligungsmethoden sollten möglichst vielfältig, niedrigschwellig und abwechslungsreich gestaltet sein. Zusammen mit den Teilnehmenden sollten die eingesetzten Methoden regelmäßig überprüft und bei Bedarf flexibel angepasst werden. Dabei ist es wichtig, verständliche Informations- und Arbeitsmaterialien bereitzustellen, gegebenenfalls in verschiedenen Sprachen oder alternativen Darstellungsformen. Moderator:innen sollten gezielt geschult werden, um eine breite und inklusive Beteiligung zu gewährleisten.
  4. Bleiben Sie aufmerksam und motivierend: Eine enge Betreuung der Teilnehmenden während des gesamten Prozesses sowie ein offenes Ohr für ihre Anliegen sind entscheidend für den Erfolg eines Beteiligungsprozesses, insbesondere bei der Einbindung vulnerabler Gruppen. Zum Beispiel kann die Unterstützung bei der Reiseplanung und Buchung zusätzliche Barrieren abbauen. Neben einer fairen Vergütung in Form einer Aufwandsentschädigung und der Bereitstellung von Kinderbetreuung können gemeinsame Aktivitäten und Familienangebote ein motivierendes Umfeld schaffen.

Fragen vor Prozessbeginn

Zudem sollten die folgenden Fragen vor jedem Prozess beantwortet werden, der eine breite Beteiligung anstrebt:

  1. Warum ist es für ein konkretes Problem wichtig, eine bestimmte Zielgruppe einzubinden? Was wollen Sie von den Bürger:innen erfahren – und welche Einblicke erhoffen Sie sich von den verschiedenen Zielgruppen?
  2. Wie kann die Zielgruppe sinnvoll einbezogen werden? Je nach Zielgruppe kann dies z. B. in Fokusgruppen, einem Bürgerforum oder mithilfe aufsuchender Beteiligung geschehen.
  3. Wer kann Ihnen bei der Kontaktaufnahme und bei der Arbeit mit schwer erreichbaren Bürger:innen helfen? Das können Vermittler:innen sein, wie z. B. Wohlfahrtsverbände, Bildungseinrichtungen, Unterstützungsgruppen, Sprachschulen, Familienzentren, Sportvereine, Nachbarschaftsinitiativen, Programme der Sozialen Stadt, Arbeitsagenturen oder auch migrantische Organisationen.
  4. Wie können Inhalte verständlich und ansprechend aufgearbeitet werden? Jede Zielgruppe hat unterschiedliche Bedürfnisse bei der Gestaltung von Materialien und Inhalten.
  5. Wie kann bei allen Schritten der Methodik bzw. im Prozess sichergestellt werden, dass die Perspektiven und Bedürfnisse der Zielgruppen berücksichtigt werden? Möglich ist dies z. B. durch Feedbackschleifen bei allen Prozessschritten, Räume zum Austausch, ausreichende Pausen etc.

Sie möchten mit Ihrem Beteiligungsprozess mehr Menschen oder ganz bestimmte Zielgruppen besser erreichen? Wir unterstützen Sie gerne mit unserer Expertise:  

  • Umsetzung von breiten Beteiligungsprozessen oder gezielten Beteiligungsprozessen mit schwer erreichbaren Zielgruppen
  • Entwicklung zielgruppenspezifischer Methoden und Formate
  • Konzeption und Umsetzung von aufsuchenden Beteiligungsformaten
  • Entwicklung zielgruppenspezifischer Kommunikationsstrategien

Ihre Ansprechpersonen

Carolin Piras

Senior Consultant | Deliberation, Open Government und Demokratie

Telefon+49 6251 8263-121
E-Mailcarolin.piras@ifok.de

Richard Steinberg

Senior Consultant | Deliberation, Open Government und Demokratie

Telefon+49 30 5360 77-16
E-Mailrichard.steinberg@ifok.de

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